Fahrradklimatest 2022: Lübeck im unteren Mittelfeld
Ausgerechnet bei den für Lübecks Radfahrende besonders wichtigen Themen schneidet Lübeck seit Jahren deutlich schlechter ab als in den übrigen Kategorien und wird von den Teilnehmer*innen auch beim Klimatest 2022 wieder mit Mangelhaft benotet.
Im Herbst 2022 haben 1248 Bürgerinnen und Bürger Lübecks am Fahrradklimatest 2022 des ADFC teilgenommen. Bezogen auf die Einwohnerzahl ist diese Teilnahme überdurchschnittlich hoch; sie entspricht dem fünften Rang von 26 Städten der gleichen Größenkategorie. Diese anhaltend hohe Beteiligung unterstreicht eindrucksvoll, wie wichtig das Radfahren für die Menschen in Lübeck ist. Der ADFC dankt allen Teilnehmenden für ihr Votum, weil dieses Votum den Entscheidungsträgern wichtige Hinweise darauf gibt, wo Dinge sich verbessert haben, aber auch wo noch wesentliche Mängel bestehen.
Platz 17 von 26
Die Ergebnisse der Umfrage wurden jetzt veröffentlicht. Im Fahrradklimatest 2020 hatte sich die Gesamtnote für Lübeck gegenüber den Vorjahren drastisch verschlechtert. Dieser Trend hat sich 2022 nicht fortgesetzt; es ergab sich eine leichte Verbesserung der Gesamtnote von 4,30 auf 4,27. Dieser Wert ist allerdings weiterhin unterdurchschnittlich, und er ist auch deutlich schlechter als Lübecks Bewertungen aus den Jahren 2014 – 2018. Im Vergleich mit anderen Städten der gleichen Größenklasse entspricht dies Rang 17 von 26 Städten.
Neben der Gesamtnote sind auch die Antworten auf diejenigen Fragen interessant, die für die Radfahrenden eine besonders hohe Bedeutung haben. Sieben von insgesamt 27 Kategorien werden von mehr als zwei Drittel der Teilnehmenden in Lübeck als sehr wichtig eingestuft: Die Oberflächenqualität, die Hindernisfreiheit, und die Breite der Radwege; die Akzeptanz der Radfahrenden als Verkehrsteilnehmer, das Sicherheitsgefühl, die Konflikte mit dem Kfz-Verkehr, und die Qualität des Winterdienstes.
Ausgerechnet in diesen besonders wichtigen Kategorien schneidet das Angebot für Radfahrende in Lübeck seit Jahren deutlich schlechter ab als in den übrigen Kategorien und wird von den Teilnehmer*innen am Klimatest auch weiterhin mit einer mangelhaften Durchschnittsbewertung abgestraft.
Note bleibt nur ausreichend
Verglichen mit 2020 gab es nur in wenigen Kategorien relevante Veränderungen. Leichte Verschlechterungen um jeweils 0,2 Noten waren in den Kategorien Medien, Konflikte mit Fußgängern, und Fahrradverleih zu verzeichnen. Leichte Verbesserungen, ebenfalls um 0,2 Schulnoten, gab es in den Kategorien Werbung fürs Radfahren sowie Fahren auf Radwegen und Radstreifen. Eine deutliche Verbesserung um 0,5 Schulnoten von 4,7 auf 4,2 gab es in der Kategorie Fahrradförderung in jüngster Zeit. Die Benotungen in den übrigen 21 Kategorien blieben gegenüber 2020 nahezu unverändert. Am besten bewertet wurden die Kategorien Erreichbarkeit des Stadtzentrums (Note 2,6), die Fahrradnutzung durch Alt und Jung (2,7), und die Öffnung von Einbahnstraßen für den gegenläufigen Radverkehr (3,0). Die schlechtesten Noten gab es für die Breite und die Oberflächenqualität der Radwege (jeweils 5,3) sowie für die Mitnahmemöglichkeiten im öffentlichen Verkehr (5,2).
Im Städtevergleich schnitt Lübeck in den Kategorien Fahrradverleih, Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr, und Oberflächenqualität der Wege deutlich schlechter ab als die Mehrzahl der anderen Städte. Lediglich in den Kategorien Fahrradnutzung durch Alt und Jung sowie Erreichbarkeit des Zentrums hatte Lübeck bessere Noten als die anderen Städte ähnlicher Größe.
Der Fahrradklimatest bot auch die Möglichkeit, zusätzlich zu den formulierten Fragen Textkommentare abzugeben. Immerhin 506 Teilnehmende machten von dieser Möglichkeit Gebrauch; das entspricht etwa 40% aller Teilnehmer*innen aus Lübeck. In den meisten Fällen sind diese Kommentare allgemein formuliert. Zu drei Themenbereichen gab es aber eine relevante Anzahl von gezielten Kommentaren.
Lübecks Ampeln bekommen ein Mangelhaft
Die meisten Kommentare gab es zum Thema Ampeln; insgesamt 51 Stellungnahmen befassten sich mit diesem Thema. 20 dieser Stellungnahmen kommentierten überwiegend das Verhalten unterschiedlicher Verkehrsteilnehmer an Ampelanlagen. 31 Kommentare befassten sich explizit mit den Ampelschaltungen – mit einem sehr eindeutigen Ergebnis: 30 Kommentare bewerteten die Schaltungen als schlecht, nur ein Kommentar als gut. Beanstandet wurden vor allem die in Lübeck weit verbreiteten Bedarfsschaltungen an Kreuzungen mit ihren häufig sehr langen Wartezeiten. Den kritischen Textkommentaren entspricht auch die mangelhafte Benotung (4,8) in dieser Kategorie.
Mit insgesamt 47 Kommentaren folgte der Verkehrsversuch Fackenburger Allee. Erwartungsgemäß gab es zu diesem Thema keine einheitliche Einschätzung. 13 Kommentare beurteilten den Verkehrsversuch insgesamt positiv; 26 Kommentare zeichneten ein überwiegend negatives Bild. 8 Kommentare gaben keine eindeutige Beurteilung ab.
Zu den mehrspurigen Kreisverkehren in Lübeck wurden 25 Kommentare abzugeben. Ähnlich wie bei den Ampeln war auch hier das Stimmungsbild sehr einheitlich: 21 Kommentare waren negativ, kein einziger positiv. Vier Kommentare enthielten keine eindeutige Stellungnahme zur Führungsform. Am häufigsten wurde erwartungsgemäß der Lindenplatz genannt.
Die Note 4,2 für die Fahrradförderung in jüngster Zeit ist unbefriedigend. Allerdings ist diese Bewertung immerhin eine halbe Schulnote besser als im Jahr 2020, und vielleicht ist das ein Anlass zur Hoffnung. Für diese Verbesserung kommen ursächlich mehrere Entwicklungen infrage:
- Anders als im vorherigen Erhebungszeitraum wurden keine Radwege entwidmet.
- Im Stadtrandbereich (z.B. Kronsforde, Pöppendorf) wurden mehrere Straßen, welche dem Veloroutennetz Lübeck zuzuordnen sind, in guter Qualität saniert.
- Eine starke Minderheit der Teilnehmer*innen am Fahrradklimatest bewertete die Radverkehrsführung im Verkehrsversuch Fackenburger Allee als positiv.
- Mit der Stadtgrabenbrücke, dem Fahrradparkhaus am Bahnhof, und dem Radschnellweg Bad Schwartau – Groß Grönau nähern sich mehrere attraktive Projekte ihrem Baubeginn – vielleicht war bei der Stimmabgabe auch ein bisschen Prinzip Hoffnung beteiligt.
Verkehrswende lässt weiterhin auf sich warten
Trotzdem: eine Gesamtnote von 4,27 für die Radfahrbedingungen ist in keiner Weise zufriedenstellend; eine Verkehrswende weg von der absoluten Dominanz des Pkw-Verkehrs setzt ein weit besseres Angebot für den Radverkehr voraus. Eine solche Verkehrswende ist aus Gründen des Umwelt- und Klimaschutzes sowie des Gesundheitsschutzes, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen dringend erforderlich. Die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung sollten deshalb ihren Beschlüssen zeitnah auch Taten folgen lassen. Der ADFC wird einen solchen Prozess auch in Zukunft unterstützen.