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ADFC-Fahrradklimatest © ADFC | April Agentur

Fahrradklimatest: Lübeck stürzt ab

Das Ergebnis für Lübeck fällt im Städtevergleich noch deutlich schlechter aus als in den Jahren zuvor. Während bundesweit die Gesamtnote konstant blieb, stürzte Lübeck um neun Tabellenplätze auf den fünftletzten Platz ab.

Hohe Beteiligung

Im Herbst 2020 haben 1238 Bürgerinnen und Bürger Lübecks am Fahrradklimatest 2020 des ADFC teilgenommen. Bezogen auf die Einwohnerzahl ist diese Teilnahme überdurchschnittlich hoch; sie entspricht dem sechsten Rang von 26 Städten der gleichen Größenkategorie, und sie bleibt trotz der Corona-Pandemie nur knapp unter der Rekordbeteiligung aus dem Jahr 2016. Diese hohe Beteiligung unterstreicht eindrucksvoll, wie wichtig das Radfahren für die Menschen in Lübeck ist. Der ADFC dankt allen Teilnehmenden für ihr Votum, weil dieses Votum den Entscheidungsträgern wichtige Hinweise darauf gibt, wo Dinge sich verbessert haben, aber auch wo noch wesentliche Mängel bestehen.

Note 4- für Lübeck

Die Ergebnisse der Umfrage wurden jetzt veröffentlicht, und das Ergebnis für Lübeck fällt auch im Städtevergleich noch deutlich schlechter aus als in den Jahren zuvor. Während bundesweit die Gesamtnote konstant blieb, verschlechterte sie sich in Lübeck von 4,09 im Jahr 2018 auf jetzt 4,30. 2018 nahm Lübeck damit immerhin noch einen Mittelfeldplatz unter den Städten der gleichen Größenkategorie ein, 2020 stürzte unsere Stadt um neun Tabellenplätze ab und findet sich jetzt mit Rang 22 von 26 Städten mitten in der Abstiegszone wieder – übrigens genauso, wie vor wenigen Monaten der Autoclub ADAC das Angebot für den Radverkehr in Lübeck bewertete.

Qualität der Radwege ist besonders wichtig

Neben der Gesamtnote sind auch die Antworten auf diejenigen Fragen interessant, die für die Radfahrenden eine besonders hohe Bedeutung haben. Sieben von insgesamt 27 Kategorien wurden von mehr als 70% der Teilnehmenden in Lübeck als sehr wichtig eingestuft: Die Oberflächenqualität, die Hindernisfreiheit, und die Breite der Radwege; die Akzeptanz der Radfahrenden als Verkehrsteilnehmer, das Sicherheitsgefühl, die Konflikte mit dem Kfz-Verkehr, und die Qualität des Winterdienstes.

 

Die wichtigsten Themen werden am schlechtesten bewertet

Ausgerechnet in diesen besonders wichtigen Kategorien schneidet das Angebot für Radfahrende in Lübeck seit Jahren deutlich schlechter ab als in den übrigen Kategorien und wird nunmehr von den Teilnehmer*innen des Klimatests mit einer mangelhaften Durchschnittsbewertung abgestraft. Im Vergleich zu anderen Städten der gleichen Größenordnung punktet Lübeck lediglich bei der generationenübergreifenden Fahrradnutzung mit einer um eine halbe Schulnote besseren Bewertung, und damit tun die Bürger*innen Lübecks sich selbst und ihrer Stadt einen riesengroßen Gefallen. Bei der Oberfläche der Radwege, der Fahrradmitnahme im öffentlichen Verkehr, und dem Angebot an Leihrädern liegt Lübeck jedoch um mindestens eine ganze Schulnote gegenüber vergleichbaren Städten zurück.

Verglichen mit 2018 gab es nur in zwei von 27 Kategorien geringfügige Verbesserungen; Abstürze um 0,4 Schulnoten und mehr waren in den Kategorien Fahren auf Radwegen und Radstreifen, Breite der Radwege, Sicherheitsgefühl und Stress zu verzeichnen. Die Stimmung der Menschen in Lübeck scheint zu kippen, und das ist zutiefst beunruhigend.

Lübeck kündigt Verbesserungen an ...

Woher kommt aber diese harte Kritik? Immerhin ist Lübeck jetzt Mitglied bei Rad.SH, dem Verband der fahrradfreundlichen Städte Schleswig-Holsteins. Und erst vor wenigen Tagen hat der Bürgermeister ein klares Bekenntnis abgegeben zum Bau des Radschnellwegs nach Bad Schwartau und Groß Grönau, zum Bau der Stadtgrabenbrücke, und zur Errichtung eines Fahrradparkdecks am Hauptbahnhof. Schließlich wurden in der Bauverwaltung mehrere Stellen für die Planung und Unterhaltung der Radwege bewilligt und großenteils auch schon besetzt. Der ADFC hat die Bemühungen der Bauverwaltung um eine Stellenaufstockung immer unterstützt, und alle vom Bürgermeister genannten Projekte sind sinnvoll und könnten zu einer Umkehr des aktuellen Trends zur Verschlechterung der Bedingungen für Radfahrende und Fußgänger*innen beitragen. Und das positive Beispiel Kiel zeigt deutlich, dass Verbesserungen der Bedingungen für den Radverkehr sich auch in einer Verbesserung der Klimatestnote niederschlagen.

... aber setzt sie nicht um

Aber bislang sind dies in Lübeck nur Ankündigungen, die seit längerer Zeit immer wieder formuliert, aber nicht umgesetzt werden. Immer wieder verschoben oder sogar aufgegeben wurden sinnvolle Konzepte wie die Sanierung und regelkonforme Umgestaltung des gesamten Straßenraums im Zuge von Fahrbahnsanierungen, oder auch die Verbesserung der desolaten Situation für Radfahrende in Schlutup. Der einzige wirklich geglückte Fortschritt im Jahr 2020 war die Umgestaltung des Theaterplatzes; hier zeigt sich, dass durch eine Reduzierung der Kfz-Flächen und der Kfz-Menge bei gleichzeitiger spürbarer Reduzierung der Geschwindigkeit eine echte Verkehrsberuhigung und eine Zunahme des Fußgänger- und Radverkehrs ohne Staubildung erreichbar ist. Dieses Modell könnte auch auf andere Orte im Stadtzentrum oder auch in Stadtteilzentren übertragen werden. Ansonsten wurden in diesem Jahr lediglich 400 Meter Radwege den geltenden Richtlinien angepasst. Mehr als 200 Kilometer Radwege verfehlen in Lübeck aber diese Anforderungen. Beim derzeitigen Tempo der Verbesserung wäre demnach im Jahr 2500 noch nicht der Stand der Technik aus dem Jahr 2010 flächendeckend erreicht. Daran hat auch die erwähnte Aufstockung des Stellenbestandes in der Baubehörde überhaupt nichts verändert – mit der autogerechten Erweiterung der Bahnhofsbrücke, dem Bau einer Lärmschutzwand auf dem Radweg der Wakenitzbrücke, und grotesken Fehlern bei der Planung und Einrichtung von Baustellen wird unvermindert weiter der Umbau Lübecks zur autogerechten Stadt vorangetrieben.

Es ist Zeit für eine Verkehrswende

Dieser Vorwurf der Teilnehmer*innen am Fahrradklimatest trifft die Baubehörde, die Ordnungsbehörde, und die Arbeit der Verkehrspolizei in gleicher Weise, und natürlich trifft er auch den Bürgermeister. Er trifft aber auch die Mitglieder der Bürgerschaft und ihrer Ausschüsse, die dieses Handeln der Verwaltung bislang mehrheitlich achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zeigen deutlich, dass die Menschen nicht mehr gewillt sind, eine Ignoranz gegenüber ihrer Gesundheit oder den Erfordernissen des Klimaschutzes hinzunehmen. Es ist Zeit für eine ökologische, rationale, und humane Verkehrswende – auch in Lübeck. Gute Bedingungen für Fußgänger*innen und Radfahrende sind ein essenzieller Bestandteil eines solchen Konzepts.

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https://luebeck.adfc.de/artikel/fkt2020

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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